Tragen hindert den Abbau frühkindlicher Reflexe?!

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delfinstern
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Re: Tragen hindert den Abbau frühkindlicher Reflexe?!

Beitrag von delfinstern »

Und zusätzlich auf die Art vom Tragen. Tragehilfe vorwärtsgerichtet vs gute Th/Tuch.
Liebe Grüße
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Kambly
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Re: Tragen hindert den Abbau frühkindlicher Reflexe?!

Beitrag von Kambly »

Ich hätte gar keine andere Möglichkeit als tragen gehabt. Kinderwagen wollte er nicht, im Bettchen liefen schon gar nicht. Also hab ich es als das von seiner Natur gegebene angesehen und glaube deswegen auf keinen Fall, dass das schlecht war. Es gibt doch immer wieder verschiedene Studien und Hinweise, dass etwas nicht gut sein soll. Aber was ist schon perfekt? Was stimmt wirklich für alle Kinder/Familien etc.? Und wie jemand schon schrieb, war der Mensch doch schon immer ein Tragling.
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nido56
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Re: Tragen hindert den Abbau frühkindlicher Reflexe?!

Beitrag von nido56 »

Ich habe auch null Ahnung von der Materie, aber irgendwie wäre das doch komisch, wenn etwas, was die meisten Babys instinktiv einfordern so schädlich für die Entwicklung wäre.

Und die Entwicklung soll durch Maßnahmen gefördert werden, bei denen ganz viele Babys spontan brüllen wie am Spieß, die ihnen also erst trainiert werden müssen (frei auf dem Rücken liegen)? Noch dazu soll das Baby dann mit Hilfsmitteln in eine ganz bestimmte Haltung gebracht werden, die es von allein nicht einnehmen kann?

Überzeugt mich alles nicht.
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Pelufer
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Re: Tragen hindert den Abbau frühkindlicher Reflexe?!

Beitrag von Pelufer »

Kaba hat geschrieben: 23.04.2022, 09:50 Ahja und gleichzeitig könnte sich auch in diesen Sonderfällen das Tragen trotzdem insgesamt positiv auswirken, weil es in anderen Bereichen positive Effekte hat
Ich hab so einen Sonderfall 😁 das Tragen hat zwar nicht vollständig die Hüfte gerettet, aber die Muskelspannung wurde damit sehr schnell sehr viel verbessert 😇
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Cocolin
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Re: Tragen hindert den Abbau frühkindlicher Reflexe?!

Beitrag von Cocolin »

andallthatjazz hat geschrieben: 21.04.2022, 21:45 Hallo ihr Trageexpert:innen,
ich las jetzt auf mehreren Physiotherapie-Blogs, dass das aufrechte Tragen die Integration verschiedener frühkindlicher Reflexe (Fechterstellung und TLR) durch eine problematische Kopfhaltung (entweder zur Seite gedreht oder nach hinten gebeugt) hemmt. Das könne dann zu diversen Leistungs-, Lern- und Verhaltensstörungen führen im Laufe der Kindheit.
Weiß da jemand was drüber? Ist das Quatsch? Oder kann der Kopf anders platziert werden, sodass es keine Probleme gibt?
Bitte klärt mich auf ☺️
Hallo andalthatjazz,

Entschuldige, dass eine Antwort etwas hat auf sich warten lassen. Wir haben da untereinander auch nochmal drüber geredet, und ich hatte eine Physiotherapeutin gefragt.

Die anderen haben ja auch schon gute Punkte angebracht. Wenn durch aufrechtes Tragen Probleme entstünden, wäre die Menschheit ja ziemlich blöd dran ;) Und eigentlich ist das schon Konsens, dass korrektes Tragen die Aufrichtung und Entwicklung (zB Hüfte) fördert.

Frühkindliche Reflexe sind ja etwas normales. Und ebenso normal ist, dass sie zu bestimmten Zeitfenstern in der Entwicklung verschwinden. Tun sie das nicht, ist das betreffende Kind normalerweise sowieso in kinderärztlicher Behandlung und man hat das auf dem Schirm, denn dann geht das meist einher mit anderen / größeren neurologischen Beeinträchtigungen. Und genau deshalb schauen die Kinderärzte bei den U-Untersuchungen ja auf die Reflexe, oder fragen nach bestimmten Dingen.

Diese Relfexintegrationstherapie geht ja nun davon aus, dass bei manchen (vielen?!) Kindern diese frühkindlichen Reflexe nicht verschwinden, sondern überlagert sind und dann viele Probleme auslösen, von LRS bis ADHS und so weiter. Welche Störungen das genau sein sollen, scheint aber auch einer ziemlichen Bandbreite zu unterliegen. Und dann soll man eben eine Therapie dagegen machen, meist sind es diverse Körperübungen. Allerdings finden sich die Infos über die Probleme nur bei den Anbietern der Therapien, an guten wissenschaftlichen Quellen gibt es da meines Wissens nach, nichts.

Wir haben 2 Links gefunden, wo unserer Meinung das ganz gut erklärt wird
https://www.kindergartenpaedagogik.de/f ... n-kindern/
https://sciencebasedmedicine.org/reflex ... n-therapy/ (auf Englisch)

Liebe Grüße!
Cocolin
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Re: Tragen hindert den Abbau frühkindlicher Reflexe?!

Beitrag von Kaba »

Pelufer hat geschrieben: 23.04.2022, 17:32
Kaba hat geschrieben: 23.04.2022, 09:50 Ahja und gleichzeitig könnte sich auch in diesen Sonderfällen das Tragen trotzdem insgesamt positiv auswirken, weil es in anderen Bereichen positive Effekte hat
Ich hab so einen Sonderfall 😁 das Tragen hat zwar nicht vollständig die Hüfte gerettet, aber die Muskelspannung wurde damit sehr schnell sehr viel verbessert 😇
Ich wollte nur sicherheitshalber kurz klarstellen, dass ich nicht das Kind selbst als Sonderfall bezeichnen wollte, sondern die Kombi aus Kind mit besonderen Entwicklungsbedürfnissen und sehr sehr viel Tragezeit.

Danke Cocolin für deine Erklärung!
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Linnunrata
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Re: Tragen hindert den Abbau frühkindlicher Reflexe?!

Beitrag von Linnunrata »

Danke für die spannende Erklärung, Cocolin!

Mich erinnert die Argumentationsweise daran, wie (meist männliche) Ärzte zu Zeiten, als es noch keine evidenzbasierte Wissenschaft gab, alle möglichen spekulativen Erziehungshinweise gegeben haben, die in ihr ideologisches Weltbild gepasst haben. Zum Beispiel das Kind müsse früh selbstständig werden, wenn du es verwöhnst, musst du das später wieder abgewöhnen, Schreienlassen, das Kind darf nur im eigenen Bett in Dunkelheit und Ruhe schlafen, weil es sonst nicht richtig abschalten kann und es die Entwicklung des Nervensystems stört und all so ein Quark, von dem wir heute wissen, dass es völliger BS ist. Das wurde auch alles mit Fachwörtern und Theorien und seriös anmutend in Ratgeberliteratur verbreitet. Und ist jetzt immer noch in den Köpfen vieler Ärzte drin. Und neuere, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse (z.B. Bindungstheorie) setzen sich erschreckend langsam durch.

Für mich schwingt da sogar Rassismus mit, zu behaupten, Kinder die getragen werden, können später Schulschwierigkeiten entwickeln.

---
Ich sehe hier übrigens nichts mehr von diesem ATNR, obwohl wir die Kleine quasi den ganzen Tag getragen haben in dem Alter.
Mit dem großen Jungen, G *09/2017 und dem kleinen Mädchen L *11/2021.
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Re: Tragen hindert den Abbau frühkindlicher Reflexe?!

Beitrag von andallthatjazz »

Cocolin hat geschrieben: 25.04.2022, 13:00
andallthatjazz hat geschrieben: 21.04.2022, 21:45 Hallo ihr Trageexpert:innen,
ich las jetzt auf mehreren Physiotherapie-Blogs, dass das aufrechte Tragen die Integration verschiedener frühkindlicher Reflexe (Fechterstellung und TLR) durch eine problematische Kopfhaltung (entweder zur Seite gedreht oder nach hinten gebeugt) hemmt. Das könne dann zu diversen Leistungs-, Lern- und Verhaltensstörungen führen im Laufe der Kindheit.
Weiß da jemand was drüber? Ist das Quatsch? Oder kann der Kopf anders platziert werden, sodass es keine Probleme gibt?
Bitte klärt mich auf ☺️
Hallo andalthatjazz,

Entschuldige, dass eine Antwort etwas hat auf sich warten lassen. Wir haben da untereinander auch nochmal drüber geredet, und ich hatte eine Physiotherapeutin gefragt.

Die anderen haben ja auch schon gute Punkte angebracht. Wenn durch aufrechtes Tragen Probleme entstünden, wäre die Menschheit ja ziemlich blöd dran ;) Und eigentlich ist das schon Konsens, dass korrektes Tragen die Aufrichtung und Entwicklung (zB Hüfte) fördert.

Frühkindliche Reflexe sind ja etwas normales. Und ebenso normal ist, dass sie zu bestimmten Zeitfenstern in der Entwicklung verschwinden. Tun sie das nicht, ist das betreffende Kind normalerweise sowieso in kinderärztlicher Behandlung und man hat das auf dem Schirm, denn dann geht das meist einher mit anderen / größeren neurologischen Beeinträchtigungen. Und genau deshalb schauen die Kinderärzte bei den U-Untersuchungen ja auf die Reflexe, oder fragen nach bestimmten Dingen.

Diese Relfexintegrationstherapie geht ja nun davon aus, dass bei manchen (vielen?!) Kindern diese frühkindlichen Reflexe nicht verschwinden, sondern überlagert sind und dann viele Probleme auslösen, von LRS bis ADHS und so weiter. Welche Störungen das genau sein sollen, scheint aber auch einer ziemlichen Bandbreite zu unterliegen. Und dann soll man eben eine Therapie dagegen machen, meist sind es diverse Körperübungen. Allerdings finden sich die Infos über die Probleme nur bei den Anbietern der Therapien, an guten wissenschaftlichen Quellen gibt es da meines Wissens nach, nichts.

Wir haben 2 Links gefunden, wo unserer Meinung das ganz gut erklärt wird
https://www.kindergartenpaedagogik.de/f ... n-kindern/
https://sciencebasedmedicine.org/reflex ... n-therapy/ (auf Englisch)

Liebe Grüße!
Cocolin
Wow, danke für diese fundierte Antwort ☺️

Beim Lesen der Beispielreflexe in den Literaturverweisen ist mir auch eingefallen, dass es ja völlig bekloppt wäre, wenn das Auslösen des Reflexes zu dessen Verfestigung führen würde. Der Greifreflex verschwindet ja z.B. auch, auch wenn ich dem Baby ständig meinen Finger oder eine kleine Rassel in die Hand lege.

Echt verrückt, was manche "Fachleute" so verbreiten 🙈
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Pelufer
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Re: Tragen hindert den Abbau frühkindlicher Reflexe?!

Beitrag von Pelufer »

Ich möchte einmal kurz reingrätschen... ADHS wird NICHT durch persistierende frühkindliche Reflexe ausgelöst.
ADHS ist eine Stoffwechselstörung wo die Rezeptoren nicht ausreichend Dopamin aufnehmen können.
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Re: Tragen hindert den Abbau frühkindlicher Reflexe?!

Beitrag von andallthatjazz »

Pelufer hat geschrieben: 02.05.2022, 20:59 Ich möchte einmal kurz reingrätschen... ADHS wird NICHT durch persistierende frühkindliche Reflexe ausgelöst.
ADHS ist eine Stoffwechselstörung wo die Rezeptoren nicht ausreichend Dopamin aufnehmen können.
Ich glaube, dass ist entweder zu diesen Therapeut:innen noch nicht durchgedrungen, oder die meinen damit vielleicht, dass eine ADHS-ähnliche Symptomatik entstehen kann? Zumindest habe ich manchmal im Alltag den Eindruck, dass es dieses Bild gibt von "echter ADHS" auf der einen Seite und fehldiagnostizierten, einfach nur "wilderern" Kindern auf der anderen.
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