Stillen in DDR - historische Frage

Fragen und Antworten rund um das Thema Stillen

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(miri)
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Re: Stillen in DDR - historische Frage

Beitrag von (miri) »

Ich wurde nur sehr kurz gestillt. Wenns hoch kommt einen Monat. Zum Glück musste sich meine Mutter nicht an Zeiten halten, da ich ein ziemlicher dürrer und untergewichtiger Haken war, "durfte" ich auch alle 2 Stunden angelegt(später Flasche) werden. Aber ich denk mal dank fehlender Aufklärung und mangelnder Unterstützung war nach drei Wochen(Zeit um den Schub)die Milch "weg".
Aber ich glaube nicht, dass das DDR-typisch war. Es war wohl Deutschlandweit so.
Es gab aber so ein Muttiheft und als Stillende bekam man auch pro Monat Geld fürs stillen (kann das jetzt nur 100%ig sagen, erinnere mich schwach daran) und das wurde dann auch in das Muttiheft eingetragen.
Schliess ab, mit dem, was war, sei glücklich über das, was ist und offen für das, was kommt!
Das Leben ist schön! ...von "einfach" war nie die Rede.

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annikki
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Re: Stillen in DDR - historische Frage

Beitrag von annikki »

Mein Bruder ist Jahrgang 65 und ich bin Baujahr 73. Wir lebten in einer Kleinstadt in Sachsen.
Im Krankenhaus wurden wir nach Bedarf zur Mutter gebracht oder sie ist in ein Stillzimmer gegangen. Tags wie nachts. Die Kinderschwestern haben nur das Gewicht beobachtet, ansonsten war es eine Entscheidung der Mütter, wie oft sie die Kinder zum Stillen haben wollten. Wir sind beide von unserer Ma voll gestillt worden und zwar 8 Monate lang. Sie hatte auch sehr viel Milch und hat sie in der Mütterberatungsstelle abgegeben. Ob es dafür Geld gab weiß ich nicht. Dort wurde sie auch bei Schwierigkeiten mit dem Stillen beraten. Anfangs hatte sie dort wöchentlich einen Termin, dann bei Bedarf. Wartezeiten gab es nicht.
Es war ebenso möglich für stillende Mütter sogenannte Stillpausen in Anspruch zu nehmen. Also während der Arbeitszeit zum Baby und stillen und dann wieder zurück. Damals waren die Kinder in den Betriebskrippen oder zu Hause bei der Oma, und Arbeitsplatz und Wohnort nicht kilometerweit auseinander.
Meine Mama war Lehrerin und der Direktor der Schule hat ihre Stunden so eingeplant, dass sie regelmäßig eine Freistunde hatte um nach Hause zu können und uns zu stillen. Wenn es mal nicht so klappte, dann war unsere Oma oder mein Vater mit dem Kinderwagen an der Schule und hat uns zum Stillen hingebracht. Also das war kein Problem. Es gab auch einen Raum extra für die stillenden Mütter. Alle 4 Stunden hat uns auch ausgereicht, nach der Wochenbettzeit, so erzählte mir das meine Ma.

Sie hat sich eher gewundert, dass heute die Hebammen so wenig übers stillen wissen und die Mamas so wenig unterstützen. Bei meinem ersten Kind war es ein Kampf und sie war ziemlich sauer auf die Hebamme. Sie sagte immer: "zu meiner Zeit gab es sowas nicht".

Es gab sicher auch regionale Unterschiede in der DDR, so wie das auch heute ist. Man muss sich auch heute um sehr viel selber kümmern und die Hebammen, Kinderärzte und Beratungsstellen arbeiten nicht gerade Hand in Hand. Auch die Stillberaterinnen sind nicht immer zuverlässig oder klar in ihren Empfehlungen, wenn sie denn mal zurückrufen.
Liebe Grüße Anni

mit Sternentochter Lilly 10/05, mit Bärchen 04/07 und Fröschlein 03/11 und Knöpfchen 06/14
honigtopf2010
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Re: Stillen in DDR - historische Frage

Beitrag von honigtopf2010 »

WOW, Anni, so eine Geschichte habe ich persönlich aus der Zeit auch noch nicht gehört. Toll!
die Große 03/10 und der Lütte 03/13 - Breast in Peace!
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annikki
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Re: Stillen in DDR - historische Frage

Beitrag von annikki »

Es war eben nicht alles schlecht. :wink:

Es gab auch engagierte Hebammen und Kinderkrankenschwestern, wahrscheinlich hat meine Ma auch ein wenig Glück gehabt.

Aber man musste sich, wie heute auch, viel selber organisieren und ein wenig mitdenken. In dem Punkt hat sich nicht viel geändert.
Liebe Grüße Anni

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Leogecko
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Re: Stillen in DDR - historische Frage

Beitrag von Leogecko »

hawaii hat geschrieben:Ich will mal was von uns dazu erzählen:
Der Start war alles andere als prickelnd, meine Mutter lag nach Notkaiserschnitt fast 2 Wochen auf der Intensivstation und ich sicher auf der Säuglingsstation.
Gesehen hat sie mich auch nur alle Stunden. Aber jetzt kommt der Hit: Sie hat sich geweigert, Abstilltabletten zu schlucken und abgepumpt.
Und nach der Entlassung kam meine kriegserprobte! Oma, die meine Mutter bis 4! gestillt hatte, weil sie damals sonst einfach verhungert wäre auf der Flucht.
Die sagte: Leg an, wir haben alle gestillt, jede kann das. punkt. Ganz rigoros und ganz bestimmt.
Und es hat funktioniert! Ich hab getrunken wie ein Weltmeister.
Bei der Mütterberatung musste meine Mutter antanzen und "vorstillen", da wurde gewogen, dass es einer Psychotour gleichkommt. Man glaubte ihr einfach nicht, dass sie nach der Pause im KKH genug Milch hätte und siehe da, die gewogenen Mengen waren wohl angeblich zu wenig. So 70 g, aber wer stillt schon mehr unter Stress ??? Dann wurde sie überredet, zuzufüttern und man redete ihr ein, es würde nicht ausreichen.
Das Ergebnis war, dass ich ziehmlich schnell wie ein Hefeklops aussah. Daraufhin hat meine eigensinnige, sture Mama ( Gott sei Dank!!!), den Zufütterquatsch ganz schnell wieder gelassen und mich lustig bis ein Jahr gestillt. Immerhin! Oma sei Dank! Sturheit sei Dank!
Und so wie ich es mitbekommen habe, hat sie sich auch einen Dreck um 4 Stunden Vorgaben geschehrt. O-Ton meiner Oma dazu: Sonst wären die Babys ja verhungert! Entrüstet!
*hihi*
Aber was meine Oma geleistet hat, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. Die hat 3 eigene Kinder, 5 Geschwister und ihren alten Vater alle durchgekriegt, aufm Treck die Windeln meiner Mutter am eigenen Leib über der Schürze getrocknet. Alles, was sie hinterher noch besaß, war eine Flasche Desinfektionsmittel.
Wenn ich mit Sohni bei meiner Oma war, dann fragte sie zuerst, ob ich auch ja gut! gegessen hätte. Nicht viel, aber gut! Mich beim Stillen betuddelt und gepflegt und dann immer ganz niedlich in Sohnemanns Pospreckfältchen reingeprüft, ob er hübsch propper ist. :mrgreen:
toller Bericht! Klasse Frauen!
mit den Mädels* 04/2010 und *03/2013

mitten in der Trotzphase
siri
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Re: Stillen in DDR - historische Frage

Beitrag von siri »

Stillen in der DDR war ein besonderes und sehr sensibles Thema, kann einiges berichten.
in den 50 er und 60 er Jahren war das Stillen noch recht verbreitet, es muß dort aber schon begonnen haben mit den "stillschädlichen" Ansichten, also absolut den 4-Stundenrhythmus einhalten, nach jedem Stillen das Baby wiegen usw. Von den Milchbanken habe ich auch gehört. Meine Mutter hat sich auf diese Weise die Schlafzimmermöbel erarbeitet (erstillt). Das war so, dass sie uns 3 Kinder nicht angelegt hat, sondern die Milch vollständig abgepumpt hat, uns dann mit Fläschchen gefüttert hat, die restliche Milch wurde dann an die Milchbank abgegeben. Das muß eine Tortur gewesen sein, sie wurde damals sehr gelobt dafür und ist heute noch stolz darauf...
In den 70 er Jahren sollten die sehr jungen Mütter wieder schnell nach der Geburt der Kinder wieder in den Beruf zurückkehren, meine Schwester bekam nur 12 Wochen Mutterschaftsurlaub. Die beiden Kleinen kamen dann gleich in die Krippe. Mit Stillen wäre es dann schlecht gewesen.
Man musste schon sehr bewusst anders sein Leben einrichten, um doch stillen zu können, das war meistens die Ausnahme in den 70ern. Den Müttern wurde natürlich gesagt , dass die Fertignahrung das allerbeste ist für die Kinder. Auch die Krippenerziehung wurde hochgelobt: dass jedes Kind mit 1 Jahr keine Windeln mehr tragen braucht und sich wunderbar in jede Gruppe einfügen kann. Es war in dieser Hinsicht sehr extrem und eine Lockerung kam dann in den 80 er Jahren, als dann auch ein ganzes Babyjahr möglich wurde. Als ich in den Ende 80 er und 90 er Jahren meine 3 Kinder geboren habe, war es sogar schon möglich, in manchen Geburtskliniken ein Mehrbettzimmer mit ROOMING-IN zu bekommen, also bessere Möglichkeiten für das Stillen, was ich dann auch genutzt habe. Meine ganze Umgebung war damals aber noch voll auf diese "stillfeindlichen" Methoden geeicht, besonders auch die Schwestern im Krankenhaus , die einem ja eigentlich helfen sollten. (Auf "Säuglingsschwestern" mit den überholten Ansichten soll man auch noch heute in manchen Kliniken treffen.)
Geholfen hat mir mein Mann und eine Freundin, die "Das große Stillbuch" aus dem Westen hatte, das was super!!! Ich konnte in der Zeit noch 2 andere Frauen vom Stillen überzeugen und Ratschläge geben, sie hatten beide jeweils schon ein älteres Kind, das sie nicht stillen "konnten".
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Sakura
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Re: Stillen in DDR - historische Frage

Beitrag von Sakura »

mein bruder und ich sind 1977 und 1978 geboren. unsere mutter war jeweils eine woche im KH, wir kinder auf der säuglingsstation. wir wurden der mutter nur zum stillen gebracht. stillzeiten waren 6.00, 9.00, 14.00, 18.00, 22.00. also "um sechs, um zehn, um zwei", fünf mal stillen pro tag. nicht mehr und nicht weniger. nachts stillen war "verboten" (wobei ich mir nicht sicher bin, ob nicht nachts auf der säuglingsstation mit der flasche gefüttert wurde. ich glaube, ich habe da mal sowas gehört. muss nochmal nachfragen). eine stillmahlzeit sollte ca. 20 min. dauern, es wurde nur eine seite pro stillmahlzeit angeboten, danach wurde die brust leergepumpt. bei vielen frauen wurde diese milch dann gesammelt, und auf der frühchenstation verwendet, meine mutter hat sie glaube ich in den ausguss gekippt. das pumpen wurde begründet mit: "sonst geht die milch zurück". die kinder wurden jeweils vor und nach dem stillen gewogen, um zu protokollieren, wieviel sie getrunken hatten. nach der entlassung aus dem KH gab es die mütterberatung, einmal im monat, die war quasi pflicht. nach 8 wochen wurde gemüsebrei zugefüttert, einmal pro wochen mit einem halben rohen eigelb drin. ich habe das wohl problemlos vertragen, mein bruder muss sich davon immer schrecklich übergeben haben.

unter all diesen reglementierungen war es kein wunder, dass es viele frauen gab, wo die milch eben NICHT reichte, meine mutter hatte zum glück kein problem mit der milchmenge. meine mutter war selbständig, konnte daher lange stillen und uns betreuen. wir waren beide nicht in der krippe, nur kindergarten, ich war 4 mein bruder 3 als wir in den kindergarten kamen.
Sakura mit zwei tollen Mädels 04/11 und 05/13

Ich werde sie lehren, den eigenen Weg zu gehen,
vor keinem Popanz, keinem Weltgericht,
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Sakura
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Re: Stillen in DDR - historische Frage

Beitrag von Sakura »

hawaii, deine oma ist der hit!!!
solche omas braucht das land :-)
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mamaundmini
schreibt ganz schön oft
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Re: Stillen in DDR - historische Frage

Beitrag von mamaundmini »

Also ich bin ach ein DDR-Kind nd meine Mama erzählte auch von diesem 4 Std Rhythmus und das ich mich da als Kind reltiv schnell drn gewöhnt hatte!Sie ist zwar extra in ein Krankenhaus zur Entbindung gefahren wo schon "Rooming-in" praktiziert wurde, trotzdem herschte ein strenger 4 Std Rhythmus! Die Nachsorge Allerdings war wohl super!1xim Monat musste man mit Kind zur Mütternachsorge und das bis das Kind 1 Jahr alt war, sie war ganz verwundert das dies heute nicht mehr so ist .... Fürs stillen gabs wohl bissl Geld wobei niemand kontrolliert hat, ob man wirklich noch stillt-man konnte also sagen, jo ich stille noch und dann gabs dafür halt irgendetwas------ ICh hab aberf auch schon gaaaaanz früh Möhrensaft bekommen mit der Begründung das es ja gesund sei und das ich dadurch soooo eine schöne Hautfarbe hatte :roll: Sie hat/konnte/wollte k.A. mich bis zum 5 Monat gestillt - aber auch nicht voll - es musste ja der gute Möhrensaft und die guten selbstgemachten Breie noch dazwischen rein :lol:
Mich fragt sie heute öfter wie das nur geht das so ein kleines Kind vom stillen allein satt wird höhö siehste doch sag ich dann immer er ist nu 11 Wochen und speckige 7kg schwer :lol:

Ich denke auch wenn die Mütter es damals besser gewußt hätten, hätten sies auch anders gemacht!Und natürlich auch wenn die Bedingungen (Elternzeit,Stillpausen,....) andere wären.
Ich glaub sie wurden sozusagen genötigt gegn ihr Intuition zu handeln :oops: :lol:
2 zauberhafe Kinder an der Hand 06/08 und 06/11, einen Bauchbewohner 8/21 und ein Sternchen im Herzen

Ritzenfüller im Familiebett, gestillt, getragen und unendlich geliebt

Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen
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Re: Stillen in DDR - historische Frage

Beitrag von Sakura »

mamaundmini hat geschrieben:Ich glaub sie wurden sozusagen genötigt gegn ihr Intuition zu handeln
jep.

und genau. meine mutter war auch ziemlich verwundert, dass heute keine fürsorgerin mehr nach hause kommt und kontrolliert :-)
und ja. für das stillen gab es geld, ich glaube 20 mark im monat (einkommen eines arbeiters ca. 500 mark, monatsmiete ca. 50 mark, medizinisches fachbuch fürs studium 3 mark). also nicht schlecht.
Sakura mit zwei tollen Mädels 04/11 und 05/13

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