Begleiten vs. Erziehen

Wiege oder Familienbett? Allein oder zusammen? Wie schlafen wir alle am besten?

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FräuleinPfoetchen
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Begleiten vs. Erziehen

Beitrag von FräuleinPfoetchen »

Hallo!

Im Argh-Thread habe ich meinen Frust rausgelassen und die Antworten machen mir deutlich - ich brauche eure Erfahrungen und euren Rat!

Unser Kind wird bald 2, Schlechtschläfer seit der ersten Stunde und ich denke, er fällt unter die Kategorie High Need Baby.

Lange hat mir das Buch von Nora Imlau und Renz-Polster (Schlaf gut, Baby) geholfen. Ich habe mir dadurch immer bewusst gemacht, dass mein Kind eben nicht anders kann und unsere Begleitung braucht und dass es statistisch gesehen bis ins Alter von 4 leider völlig normal ist, wenn ein Kind nicht durchschläft.


Nun bin ich aber an meine Grenze gelangt.
Unser Sohn spricht sehr gut (4-5 Wortsätze) und versteht auch sehr viel, kann lange Gedankengänge und auch erste "abstrakte" Abfolgen (erst Zähneputzen, dann Schlafanzug anziehen) verstehen.
Nachts war es erst eine Erleichterung, dass er sich verständlich machen konnte: Hunger, Durst, auf den Arm nehmen, Papa oder Mama...

Doch nun wird er seit einer Woche (ausgelöst durch Urlaub aber es hält sich nun leider) mehrere STUNDEN in der Nacht wach.

Klar, wird hatten das früher auch mal, aber es war eher dieses: x Dinge ausprobieren, bis er wieder in den Schlaf findet. Aber jetzt sieht es so aus:
1. Er wird wach, ist unglücklich darüber und eindeutig müde.
2. Er verlangt alle möglichen Dinge: Auf den Arm, nein doch nicht, federwiege, Kinderbett, großes Bett, nein auf den Arm, Stillen, füße massieren, Milch trinken, Banane, Käsebrot, nein doch nicht, oder doch, nein doch nicht....
Dabei weint und schreit er und ist sehr unglücklich. Zu 99 % darf auch nur ich ihn berühren, mein Mann nicht.

3. Er wird vollständig wach durch dieses Hin- und Her. Dann ist er wieder glücklich, und macht die Nacht zum Tag: Spielen, Buch lesen, Malen, erzählen wie etwas geschieht (Prozesse faszinieren ihn derzeit und so kriegen wir stundenlang erzählt, wie man Wäsche wäscht oder einen Stecker in die Steckdose steckt, dass das nur Mama und Papa dürfen, undundund)

4. Wir werden immer müder und verzweifelter. Versuchen, möglichst passiv zu bleiben, um ihn nicht weiter zum Spielen zu animieren, schagen zwischendurch vor, wieder eine der gängigen Einschlafvarianten vorzunehmen, sagen, dass wir selbst sehr müde sind, es Nacht ist, dass man nachts schläft, dass seine Kuscheltiere müde sind...

Nichts hilft.

Letzte Nacht bin ich explodiert. Er wollte nach 3 Stunden in die Federwiege, ließ sich ewig schaukeln und aus dem Nichts ging es wieder los: "Straße heißt STOP! Und Hand nehmen, nicht alleine gehen, ich darf nicht alleine gehen, neinnein...." und ich hab ihn angeschnauzt: "Verdammtnochmal, es ist NACHT. ICH bin müde, PAPA ist müde, ALLE schlafen - NEIN, jetzt wird nicht in den Arm genommen, nicht gespielt, NEIN, auch kein Buch gelesen! ES REICHT! MIR REICHT ES! Du musst jetzt SCHLAFEN!..." Unser Sohn fing natürlich daraufhin an zu weinen.

Dann kam mein Mann, schickte mich weg.

Ich bin auch früher schon mal wütend geworden. Da tat es mir immer leid danach. Dieses Mal tut es mir nicht leid, obwohl ich weiß, dass es nicht in Ordnung ist, mit jemand anderen und erst recht nicht mit einem Kleinkind, so zu reden.

Aber ich sitze da und denke: Er ist bald 2 Jahre alt, er ist wirklich verständig. Ist das nicht ein Punkt, an dem ich jetzt mal erziehen muss?
Ich liebe das Wunschkindbuch und den Blog, das Kooperieren funktioniert tagsüber ausgezeichnet, Anfälle aus Wut/Enttäuschung/Traurigkeit kriegen wir damit gut gelöst.

Aber für die Nacht bin ich ratlos. Was soll ich tun?

Begleiten haben wir versucht und unser Kind kennt offenkundig kein Ende beim nächtlichen Spielen.

Aber natürlich kann ich Schlaf nicht autoritär befehlen.

Aber auch erklären, Kompromisse suchen, scheint wirkungslos.

Helft mir. Wie war/ist es bei euch? Alles nur eine Phase, oder sollten wir jetzt irgendwie "eingreifen", so wie wir unserem Kind jetzt auch beibringen, nicht über die Straße zu rennen?
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FloppyDisc
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Re: Begleiten vs. Erziehen

Beitrag von FloppyDisc »

Hallo du,
das klingt ja mehr als anstrengend. Einen richtigen Tipp habe ich nicht, nur eine Frage: wie würde denn "erziehen" für dich in diesem Fall aussehen?

Beim nicht auf die Straße rennen heißt das für mich, nicht nur erklären, sondern notfalls durch körperliche Überlegenheit (festhalten) durchsetzen. Aber beim nachts schlafen? Mir persönlich fällt da leider nichts ein außer ruhig bleiben (also kein/wenig Licht, keine Ortswechsel, nichts animierendes zum spielen) und vor allem abwechseln mit dem Partner, damit jeder ein bisschen Schlaf bekommt und nicht an den Rand seiner Nerven getrieben wird.

Schlafenentzug ist Folter, egal wer dafür verantwortlich ist, deswegen finde ich es völlig normal, wenn man nachts nicht mehr geduldig und liebevoll reagiert. Wichtig ist halt, dann abzugeben, wenn man nicht mehr kann bzw idealerweise kurz vorher. Und dann bleibt nur zu hoffen, dass die Phase bald endet.
LG Floppy
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Nusserl
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Re: Begleiten vs. Erziehen

Beitrag von Nusserl »

Also ich finde wütend werden ganz menschlich und sehr autentisch. So bekommt dein Sohn die Rückmeldung, dass dich das echt nervt. Und Schlafenzug ist eine bekannte Foltermethode.

Ich finde es wichtig, den Kindern die Richtung vor zu geben. Also wie Jesper Juul sagt: der Leitwolf sein.
Mit 2 ist er vermutlich völlig überfordert von den vielen Auswahlmöglichkeiten. Meine Kinder haben nachts in dem Alter nichts mehr zu essen bekommen. Aber dafür war eine Wasser Flasche direkt neben dem Bett. Ausserdem haben wir das Bett nur im Notfall verlassen. Sie konnten auswählen, ob sie im Beistellbett bleiben wollen oder lieber in die Besucherritze wechseln. Und Rückenstreicheln, Hand halten waren noch Optionen. Aber kein Licht, keine Spielsachen und kein Essen. Das haben sie relativ schnell verstanden. (oder ich habe mittlerweile alles verdrängt :oops: )

Du musst schauen, was für dein Kind passt. Einem schlechten Esser würde ich vielleicht eine Banane anbieten. Aber aufstehen und spielen lassen würde ich einfahc nicht erlauben. Das Kind kann ja den Schlaf tagsüber nachholen, aber die Eltern ja meistens nicht. Und bedpürfnisorientierte Erziehung bedeutet ja die BEdürfnisse aller Familienmitglieder berücksichtigen. Und mein Bedürfnis nach Schlaf ist mir nachts wirklich wichtig.
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Re: Begleiten vs. Erziehen

Beitrag von IdieNubren »

Das klingt wirklich anstrengend. Und ich finde es auch nicht schlimm wie du reagiert hast. In der Situation sehr authentisch.
Ich würde versuchen bei Punkt 1 und 2 zu bleiben. Dh nicht aufstehen, nicht essen bzw nur im Bett (bei uns gibt’s aber wie bei nusserl nachts auch nichts, wurde auch nie verlangt), nicht spielen. Notfalls 1 Stunde im Bett liegen. „Psst Schatz, es ist noch dunkel, wie schlafen noch. Leise sein. Leg dich hin“.

Es klingt so als würde ganz ganz viele Synapsen neu geknüpft werden. Das ist sicher anstrengend für den kleinen Kopf.

Was ich in unterschiedlichen Situationen gelernt habe ist, wenn man nicht ganz wach-da ist, kann man keine Fragen beantworten. DH keine Fragen stellen. Nicht „möchtest du was essen?“ oder „möchtest du aufstehen/schlafen?“ sondern nur kurze Aussagen treffen „leg dich hin. Mama ist da. Wir kuscheln jetzt“ Das hilft hier oft (bzw in anderen Situationen auch).

Ich hoffe das hilft dir irgendwie. (( ))
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Re: Begleiten vs. Erziehen

Beitrag von thuri »

Ich würde auch empfehlen, nur in ganz dringenden Notfällen das Bett zu verlassen.
Wenn er nachts wirklich Hunger hat, etwas anbieten, das beim Bett bereitliegen kann. Sonst nur Wasser. (Ich verbiete manchmal sogar das Wasser, wenn ich merke er trödelt nur, aber noch nicht mit 2)
Wenn er wirklich wach ist und spielen will, würde ich das aber nicht verbieten, sondern nur darauf bestehen, dass er alleine das Zimmer verlässt. Bei meinem reicht das (oft aber nicht immer) dass er dann doch wieder zu schlafen versucht.
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Re: Begleiten vs. Erziehen

Beitrag von HeLeo »

Ich würde auch mit dem
Kind im Bett bleiben und evtl. Wasser, Milch, Banane anbieten. Licht bleibt aus und er „muss“ liegen bleiben. Dazu halte ich meinen Sohn schon manchmal fest, also jetzt nicht wenn er sich über Minuten wehrt, aber schon kurz bis er sich hin legt. Dann wird eine Geschichte erzählt bis er oder ich schläft :oops:
Aber keine Ahnung ob das richtig ist!! Also auch das mit dem festhalten.
Liebe Grüße und baldige Besserung!
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Re: Begleiten vs. Erziehen

Beitrag von FräuleinPfoetchen »

Danke für eure Antworten! Euer Verständnis tut mir gerade sehr gut.
FloppyDisc hat geschrieben: 30.11.2018, 14:28 nur eine Frage: wie würde denn "erziehen" für dich in diesem Fall aussehen?

Beim nicht auf die Straße rennen heißt das für mich, nicht nur erklären, sondern notfalls durch körperliche Überlegenheit (festhalten) durchsetzen. Aber beim nachts schlafen? Mir persönlich fällt da leider nichts ein außer ruhig bleiben (also kein/wenig Licht, keine Ortswechsel, nichts animierendes zum spielen) und vor allem abwechseln mit dem Partner, damit jeder ein bisschen Schlaf bekommt und nicht an den Rand seiner Nerven getrieben wird.
Ja, genau das ist auch mein großes Fragezeichen und mir fiele auch nichts anderes ein, als sich eher passiv zu verhalten. Aber das wird von unserem Kind ignoriert bzw. er stört sich nicht daran oder wenn doch, dann sucht er so lange nach etwas neuem, bis wir mitmachen.
Nusserl hat geschrieben: 30.11.2018, 14:32 Ich finde es wichtig, den Kindern die Richtung vor zu geben. Also wie Jesper Juul sagt: der Leitwolf sein.
Mit 2 ist er vermutlich völlig überfordert von den vielen Auswahlmöglichkeiten. Meine Kinder haben nachts in dem Alter nichts mehr zu essen bekommen. Aber dafür war eine Wasser Flasche direkt neben dem Bett. Ausserdem haben wir das Bett nur im Notfall verlassen. Sie konnten auswählen, ob sie im Beistellbett bleiben wollen oder lieber in die Besucherritze wechseln. Und Rückenstreicheln, Hand halten waren noch Optionen. Aber kein Licht, keine Spielsachen und kein Essen. Das haben sie relativ schnell verstanden. (oder ich habe mittlerweile alles verdrängt :oops: )

Du musst schauen, was für dein Kind passt.
Und genau da weiß ich nicht weiter. Das mit dem Essen kann so oder so ausgehen. Gestern hat er 3 Mandarinen und eine große Banane und ein halbes Käsebrot verdrückt, hatte also wohl Hunger :shock: Aber es gab auch Nächte, wo er die Sachen nur in der Hand halten wollte oder eben dieses Hin und Her (Haben - nein doch nicht - doch haben! - nein doch nicht...repeat).

Nehmen wir das Essen weg, verbieten das Aufstehen, weigern uns mit ihm Spielen zu gehen und bleiben liegen, verweigern das Herumtragen oder das tausendfache Umbetten, schreit er grauenhaft und ehrlich gesagt knicke ich dann oft ein, weil ich Angst habe, dass die Nachbarn denken, ich würde mein Kind quälen :oops:


Wir bewundern unser Kind so sehr für seine Willensstärke am Tag.
Aber gerade habe ich das Gefühl, nachts wird sein Dickkopf zum Fluch für uns :(
<3
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Re: Begleiten vs. Erziehen

Beitrag von FräuleinPfoetchen »

Letzten Satz vergessen:
Aber vielleicht müssen wir wirklich das Geschrei und Weinen ein paar Nächte aushalten, und uns weigern, mit ihm mitzugehen...aber was mache ich, wenn er echt alleine weggeht? Die Wohnung ist kindersicher aber natürlich gibt es Sachen (auf den Tisch klettern o.ä.), die er gerne ohne Aufsicht macht und die gefährlich sind.
<3
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Re: Begleiten vs. Erziehen

Beitrag von Nusserl »

Also das mit dem Essen kannst du ja einschränken. Ein Quetschi/ Banane/ Vollkornbrot auf dem Nachtkasten und das kann gegessen werden oder eben nicht.
Sollte er echt alleine aufstehen und durch die dunkle Wohnung streifen, ist die Wahrscheinlichkeit extrem gross, dass ihm nach 5 Minuten langweilig wird/ er Angst bekommt und zurück zu euch geht. Klar es gibt Kinder, die vor nichts Angst haben und dann wirklich spielene gehen würden. Dem kannst du vorbeugen, in dem du verbietest, dass er aufsteht. Nicht diskutieren, sondern nur kurze Ansage. Mit kurzer Begründung (weil Mama schlafen will)
Wenn du die Grenzen kommunizierst, wird dir dein Kind folgen.
Ja, das kann ein paar Laute, ungemütliche Nächte geben. Und damit müssen die Nachbarn leben. Ist doch völlig egal, was die Nachbarn denken. (das ist übrigens die schwierigste Lektion für mich geesen)

Du must nicht auf autoritären Erziehungsstil umsteigen. Aber du musst deinem Kind die Grenzen zeigen. Denn nur um alle seine Wünsche, nicht echte Bedürfnisse, zu erfüllen, musst du nicht deine eigenen Grenzen überschreiten. Das ist kein Kind begleiten, sondern alles machen, was dem Kind gerade in den Sinn kommt. Und dann lässt du es völlig orientierungslos auf die welt los.
Glücklich mit drei Mädels und Mann
07/2008, 11/2011 und 04/2014
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Re: Begleiten vs. Erziehen

Beitrag von FräuleinPfoetchen »

Nusserl, das gibt mir gerade extrem viel Orientierung.

Ich glaube, durch den Schlafmangel weiß ich überhaupt nicht mehr, wo oben und unten ist, geschweige denn, wo Grenzen liegen.


Nachher werde ich mit meinem Mann nochmal eure Antworten durchgehen und wir werden uns einen Plan zurechtlegen.
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