Hintergründe zu einem leidigem Thema

 

Vor kurzem tauchte in den Medien mal wieder die abgedroschene, aber trotzdem immer wieder für Verwirrung sorgende Mitteilung auf, dass das Tragen im Tragetuch gefährlich für die Bandscheiben unserer Babys wäre...

Eine These, die vor Jahren schon widerlegt wurde!

Die Meldung erschien zuerst auf der Homepage des Deutschen Grünen Kreuzes und daraufhin in verschiedenen regionalen Tageszeitungen sowie Online-Zeitungen.

 

EXPERTEN WARNEN

Bandscheibenschäden bei Babys durch Tragetücher

veröffentlicht: 08.09.05 - 14:49 http://www.rp-online.de/public/article/nachrichten/wissenschaft/medizin/106137

Marburg (rpo). Anstatt das Baby im Kinderwagen vor sich her zu schieben, benutzen viele Eltern Tragetücher und Tragesäcke. Die Kinder werden dabei auf dem Bauch, dem Rücken oder der Hüfte festgeschnürt. Vor dieser Huckpack-Methode warnen jetzt Experten, denn sie könnte zu Bandscheibenschäden führen.

Das berichtet das Deutsche Grüne Kreuz (DGK). Entstanden sei die Idee der Tragetücher in Afrika und Südamerika. In Ländern, in denen Frauen beispielsweise bei der Arbeit auf dem Feld beide Hände zum Arbeiten benötigen, hätten solche Tragevorrichtungen einen Sinn, heißt es weiter. Oft müssten die Kinder dort auch über weite Entfernungen transportiert werden. Zum Unterschied zu den Müttern in unseren Breiten bewegen sich die Frauen dort allerdings oft barfuß auf der Erde. Durch den federnden Gang wird das Kind sanft geschaukelt.

Bei uns dagegen staucht das Kind - bedingt durch das feste Schuhwerk der Mutter und den unnachgiebigen Asphalt - bei jedem Schritt seine Wirbelsäule. So können den Angaben nach minimale Verletzungen an den Bandscheiben entstehen. Das DGK empfiehlt deshalb, von Tragetüchern Abstand zu nehmen und das Kind in einem modernen Kinderwagen mit guter Federung und luftgepolsterten, großen Rädern herumzufahren.

 

 

Die ursprüngliche Meldung basiert auf dem Vortrag des Kinderarztes Dr. Uwe Göring, den dieser 1998 während einer Veranstaltung der practica (Fortbildungsveranstaltung für Hausärzte und deren Praxisteam) hielt.

Herr Dr. Göring meinte damals (Zitat):

"Tragetücher haben ihre Berechtigung in Südamerika oder Afrika, wo die Frau auf dem Feld beide Hände zur Arbeit braucht und das Kind nicht hinlegen kann, weil es sonst die Termiten fressen oder ein Löwe es verschleppt. Oder sie muß ihr Kind über weite Entfernungen mitnehmen und dabei noch andere Dinge tragen.
Hierbei muß man bedenken, dass diese Frauen einen schreitenden Gang haben und sich barfuß auf der Erde bewegen. Hierzuland staksen die jungen Mütter - am Ende noch auf Plateauschuhen - auf dem Asphalt herum. Das Kind knallt bei jedem Schritt auf die Wirbelsäule und erleidet Mikrotraumen an den Bandscheiben."

Quelle: http://www.didymos.de

 

Bereits damals löste die Thematik Diskussionen aus und mehrere Fachärzte nahmen öffentlich Stellung, um die These des Dr. Uwe Göring zu widerlegen. So schrieb z.B. der Facharzt für Kinderorthopädie Dr. Eckehardt Bonnet in einem Brief an die Sächsische Zeit im Juni 1999 wie folgt (Zitat):

[...] Als Kinderarzt und Sportmediziner mit 34-jähriger Berufserfahrung und als Mitglied des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren schreibe ich Ihnen um eine Korrektur zu erreichen zu Ihrer Meldung über die Auswirkungen von Tragehilfen. [...]

Das Transportieren in einer Tragehilfe ist die einzige naturgemäße und babygerechte Art des Transportierens. Alle Bedürfnisse des Kindes (Nähe zu Mutter oder Vater, Körperwärme, Geruch, Anblick, rhytmische Bewegung, "Hautmassage", Geborgenheit, Gehaltenwerden) werden befriedigt.
Die rhytmische Be- und Entlastung der Hüft- und Wirbelgelenke ist der optimale Wachstumsreiz und verhindert frühzeitig die Entwicklung einer Hüftfehlbildung oder einer Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung).

Bei Hyftdysplasie ist das Tragen im Tragetuch die beste Therapie, die wir kennen. [...]

Quelle: http://www.didymos.de

 

Noch viel eher schon, nämlich 1970, erklärte der Verhaltensbiologe Dr. Hassenstein, dass Säuglinge keine Nesthocker sind und führte den Begriff "Tragling" ein. Auch der Dresdener Facharzt für Orthopädie, Prof. Dr. med. J. Büschelberger sah das Tragetuch als "eine einfach zu handhabende Vorrichtung zur Wiederherstellung eines natürlichen Mutter-Kind-Verhältnisses (Dyade)." (Zitat) Er stellte fest:

" An der kindlichen Wirbelsäule kann das Tragen im Tuch keine Schäden hervorrufen. Die intrauterine Haltung, die Totalkyphose der Wirbelsäule, bleibt nach der Geburt beim Sitzen im Tragetuch noch für lange Zeit erhalten. Mit Kräftigung der Hals- und Nackenmuskulatur und durch Aufnahme von Sozialkontakten mit der außerhalb der Dyade bestehenden Umwelt bildet sich nach einigen Wochen die Halslordose aus, während die Abschnitte der Brust- und der Lendenwirbelsäule bis zum Beginn des Gehens in kyphotischer Haltung verbleiben. "

 

Ich kann allen Eltern daher auch weiterhin ruhigen Gewissens empfehlen, ihre Babys im Tragetuch zu tragen, vorausgesetzt das Tuch umschließt das Kind fest wie eine Bandage, um seinen Rücken und das Köpfchen optimal zu stützen. Ebenso muß die Bindeweise eine korrekte Anhock-Spreiz-Haltung der Beinchen zulassen.

Bindeweisen, die mit dem Baby gebunden werden (z.B. Kängurubindeweise), lassen sich besser an Mutter und Kind anpassen und sind daher vorteilhafter als vorgebundene Trageweisen (z.B. einfache Kreuztrage). Mehr dazu erfahrt Ihr demnächst auf der Homepage. Bis dahin lassen sich schon ganz viele Informationen übers Tragen in meinem Forum finden.

 

Erstaunlicherweise steht der Artikel des Deutschen Grünes Kreuzes seit einigen Tagen nicht mehr auf deren Internetseite zur Verfügung. Sollte das Deutsche Grüne Kreuz etwa bemerkt haben, dass der Artikel nicht ausreichend recherchiert wurde?

 

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